"Ja, sie ist jetzt im neunten Monat schwanger, da kann sie das nicht mehr!" klärt mich Gudrun auf.
"Hat sie denn hier schon einen Arzt? und weis sie, wo das Kind zur Welt kommen soll?" meine Frage.
Gudrun erzählt mir, dass sie erst nicht zum Arzt wollte, dann aber doch und Gudrun sie begleiten musste, weil sie ja kein Spanisch spricht. Die Mennoniten in Itacurubi, km 81, sagen, der Geburtstermin ist Mitte Februar. Nun ja, das dauert ja noch etwas. Wir hören hier etwas und da etwas, aber nichts genaues. Gudrun muss mit der werdenden Mama zu Untersuchungen ins Hospital in Caacupe. Das dauert tatsächlich einen ganzen Tag! Untersuchung-auf die Resultate warten-zur Besprechung-noch mehr Untersuchungen und so weiter. Jedenfalls steht jetzt fest, dass es ein Mädchen mit dem schönen Namen Emily werden wird. Gudrun ist k.o und erledigt an diesem Abend. Alle drei kommen nun wieder zum Markt, trinken und essen was und plaudern mit uns. Viel Bewegung ist ja gesund und fördert vielleicht die Geburt. Es ist heiss, der heisseste Sommer seit den 30er Jahren mit über 40° am Schatten. Ich erinnere mich an die Schwangerschaft mit meinem Sohn, er kam am 3. August zur Welt, also auch im Sommer. Am Vortag des vorausgesagten Geburtstermins gingen mein Mann und ich spazieren, es war ein sehr langer Spaziergang. Am nächsten Vormittag war Daniel geboren.
Vollmond im Januar kommt, nichts geschieht! Marsinah, die Mama, rechnet mit Ende Januar. -Ob sie sich da nicht doch etwas verrechnet hat?- Abgemacht ist, dass Carlos und Gudrun, wenns denn soweit ist, mit ihnen ins Spital fahren. Da hat Carlos Ferien in Buenos Aires gebucht, eine Woche, vom 3. Februar bis zum 9. Da Gudrun nur sehr ungern Auto fährt in der Nacht, schlafe ich mit Handy neben dem Ohr, um bereit zu sein, wenn Not am Mann oder an der Frau sein sollte! - Nichts- Carlos kommt am Dienstag vergnügt nach Hause, waren es doch seine ersten "Auslandsferien" in Südamerika. Am Donnerstag ruft Marsinah an, sie müsse am Freitag nochmals zur Kontrolle. Sommerlads fahren mit! Ist das Baby nun da? Nein, sie muss am Samstag früh ins Spital, Muttermund und Geburtskanal sind noch nicht offen. Auf dem Markt am Samstag fragen alle nach dem Baby, aber ich kann nichts Neues berichten, ausser, dass die Geburt eingeleitet werden soll, heute noch. Ich stehe in ständiger Verbindung mit Gudrun, also erfahre ich, dass gegen 17.00 Uhr das Baby mit Kaiserschnitt geholt werden soll. Um 17.15 Uhr ist Emily da, gesund, alles dran! Morgen Sonntag werden wir sie besuchen!
Die ganze Familie Sommerlad ist am Sonntag um 10 Uhr eingeladen zum Brunch, bei einem Kunden von Claus, einem Zementfabrikanten. "Bis um 12. 30 Uhr sind wir bestimmt zurück", sagt Gudrun am Vortag "ihr holt mich dann ab, und wir fahren gemeinsam nach Caacupe!"
An diesem Sonntag ist es wiederum sehr heiss, ich denke noch bei mir, da irrt sich Gudrun bestimmt, das geht sicher bis zum späten Nachmittag. So ist es denn auch, denn um 11.30 Uhr ruft sie mich an und fragt, ob wir nicht so schnell wie möglich die Oma abholen könnten und ins Spital fahren, die Mama habe Schmerzen und ihr Mann hätte schon das ganze Geld ausgegeben für Schmerzmittel in der Nacht.
Dazu ist noch zu sagen, dass es hier so ist, dass man die ganzen Medikamente und auch die Sachen für eine OP selber kaufen muss in der Apotheke, dass ein Angehöriger ständig anwesend sein muss und auch Essen besorgen muss, dafür ist in einem öffentlichen Krankenhaus die Behandlung und die OP gratis.
Gut, die Oma, Angela, ist schnell abgeholt und wir nehmen den Weg unter die Räder----bis kurz vor Caacupe kommen wir, da gibt unser Auto den Geist auf. Scheisse, auch das noch! Peter ruft unseren neuen Mechaniker, Erico Bogado, in Caacupe an, der spricht Deutsch, er war mal Fussballer in einem deutschen Verein und hat nach seiner Rückkehr mit seinen Brüdern eine Autowerkstatt eröffnet. Ich rufe Martin und Mägi an, die sind gerade bei Rene zum Mittagessen. Sofort kommt Martin uns zwei Damen abholen und bringt uns ins Spital. Peter wartet unterdessen in der brütenden Sonne auf den Mechaniker.
Ich muss noch sagen, dass auch Idefix mit von der Partie war, den habe ich dann mitgenommen, mit Leine, Wasser und Schüsselchen!
Erst suchen wir die Geburtenabteilung, finden sie auch und treffen den jungen Vater draussen beim Rauchen an. Ich warte erst draussen mit "Fixli", dann kommt Rene raus und passt auf ihn auf. Was ich dann drinnen vorfinde haut mich fast aus den Socken!!!!(Nein, ich trage keine) Marsinah liegt flach, ohne jedes Kissen, auf einem uralten Bett mit "dunklem" Leintuch, zugedeckt ist sie notdürftig mit einem zerrissenen Laken. Das Baby hält sie im Arm, es schläft , ein ganz süsses Mädchen. 3,4 kg schwer und ca. 48 cm lang. Im Zimmer sind noch zwei andere Mütter, Paraguayerinnen, ebenfalls jede mit einem Mädchen. Auf dem Boden an der Wand liegt eine Decke, da schläft die eine Oma, neben sich den obligaten Tererekrug. Aha, man muss also hier alles selber mitbringen, selbst die Laken und Kissen, Essen und Getränke, ausser Wasser, das gibts gratis, ist aber nicht gekühlt, dann kommt eine "Krankenschwester" mit Saft, den muss man bezahlen.
Nach diesem ersten Einblick, muss was unternommen werden. Angela und ich klappern nun die nahen Apotheken ab und kaufen ein Kissen, ein Badetuch für Emily und Alcohol en Gel zum Hände desinfizieren.
Wieder zurück will Marsinah ihre Tochter stillen, aber keiner hat ihr gezeigt, wie man das macht. Ich geh mir mal die Hände waschen, aber, ach du Schreck, nicht mal Seife oder ein Handtuch sind da! Gut hab ich den Alkohol mitgebracht. Ich lege die Kleine an die mütterliche Brust, das ist nicht ganz einfach, da Marsinah Schmerzen hat vom Kaiserschnitt. Aber es klappt, die kleine Maus nuckelt an der Brust und scheint zufrieden. Ob sie denn aufstehen dürfe und was essen, fragt Marsinah. Ich suche mir eine Krankenschwester, um zu fragen. Ja das geht schon recht gut mit meinem holprigen Spanisch. Nein, aufstehen darf die Señora noch nicht und essen die nächsten 8!!!!!! Tage auch nicht. Ich schwöre, ich habs richtig verstanden! Nur Wasser, Anistee oder Saft ohne Zucker darf sie trinken! Gestern Abend war der Kaiserschnitt, sie hat auch noch eine Infusion im Arm stecken und einen Katheder am Bett hängen. Ich übersetze das mal. Nach einigem Hin und Her finden wir dann auch heraus, mit Hilfe der Nachbarin, dass man unten am Bett eine Kurbel drehen muss, um das Kopfteil zu verstellen. So ist es etwas bequemer für Marsinah. Du lieber Gott sind das Zustände! Rene fährt mit dem Bus nach Hause, um etwas zu schlafen, seine Mutter wird die nächste Nacht bei Marsinah bleiben. Da mein Handy bei Peter geblieben ist und der Vater seins braucht, um am nächsten Morgen geweckt zu werden, sind wir von der Aussenwelt abgeschlossen und müssen eben warten. Idefix hab ich draussen angebunden und nicht schlecht gestaunt, als ich sah, wie Strassenhunde frisch, fröhlich und ungehindert im Spital herumspazierten, auf der Suche nach etwas Essbarem!
So gegen 18.00 Uhr erscheinen plötzlich Gudrun und mein Mann. Ah, da hat wohl wenigstens etwas geklappt! Unser Auto ist in der "Garage" zur Reparatur.
Gudrun sucht eine Ärztin, um nochmals zu fragen, was denn nun genau sei. Die Mutter kann morgen nach Hause und soll wirklich 8 Tage nichts essen!
Im Internet suche ich alles zusammen über Kaiserschnitt und Babypflege, Stillen etc. Alles wird ausgedruckt. So hat Marsinah einen Anhaltspunkt und kann sich informieren. Sie darf aufstehen, gehen, aber nicht alleine. Essen am 2. Tag nur leichte Kost, dann wieder normal! Also doch, wie sollte sie da Milch produzieren ohne Nahrung! Da in Paraguay keine Thromboseprophylaxe gemacht wird, rate ich Marsinah, doch Stützstrümpfe zu tragen und bei dem kleinsten Verdacht auf eine Embolie, Gudrun anzurufen. Gudrun und ich machen uns nochmals auf in die Apotheke und kaufen eine Faja, einen Stützgürtel und Windeln.
Am Montag holt Carlos die Familie im Spital ab und bringt sie nach Hause. Da stellt sich auch heraus, dass kein Geld mehr da ist, aus Gründen, die ich hier nicht aufführen will, und sie sich schon längere Zeit nur von Mandioca ernährt haben. Babysachen haben Gudrun und ich schon auf dem Flohmarkt gefunden, Schühchen für Emily selber gestrickt, Atlanta hat ein Bettchen gebracht, das mein Mann repariert und ich ausstaffiere. In 2 Tagen wird alles fertig sein. Bild folgt.
Soweit geht es allen gut, hier in San Bernardino in der Urgencia werden Mama und Baby gut und kostenlos versorgt.
Emily |
Mama mit Töchterchen |
..jetzt sind wir zu Viert! |